Landwirtschaftliche Nutzfläche und Solarenergie optimal kombinieren

Die Idee ist einleuchtend: Warum also sollte man in Zeiten knapper Ackerflächen und einem stetig steigenden Energiebedarf nicht beides miteinander kombinieren und verschmelzen – also Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen installieren und beide Erzeugnisse, also Strom und Lebensmittel kombinieren?

Es gibt inzwischen weltweit eine zunehmende Anzahl von Forschungsprojekten und praktische Erfahrungen. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Typen von Agrarphotovoltaik (AgriPV):

  • Solarmodule, die sich horizontal mehrere Meter über der landwirtschaftlichen Fläche befinden.

  • Senkrecht installierte Module, die in Reihen auf der Fläche stehen.

Photovoltaik über der landwirtschaftlichen Nutzfläche

Seit 2016 wird dieser Ansatz unter anderem im Projekt APV-RESOLA wissenschaftlich überprüft. Ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), der Universität Hohenheim und weiteren Institutionen hat auf Flächen der Biobetriebsgemeinschaft Heggelbach nahe dem Bodensee eine sogenannte Agrophotovoltaik-Anlage errichtet.

Solarmodule in 5m Höhe
Damit auf der 0,3 Hektar großen Fläche alle Maschinen zur Bewirtschaftung problemlos eingesetzt werden können, wurden die Solarmodule auf Stahlstelzen in fünf Metern Höhe montiert. Im Vergleich zu Freiflächenanlagen, die ausschließlich zur Stromerzeugung dienen, sind die Abstände der Solarmodule deutlich größer. Dafür wurden spezielle bifaziale Solarzellen verwendet, die eine zusätzliche Stromerzeugung auf der Rückseite ermöglichen und dadurch die Stromausbeute verbessern.

Flächen werden signifikant effizienter genutzt
Nach dreijährigem Betrieb der Anlage zeigt sich, dass der Ansatz aufgeht und sich landwirtschaftliche Flächen mit Solaranlagen sehr effektiv nutzen lassen. So stieg die sogenannte Landnutzungseffizienz auf der untersuchten Fläche je nach Jahr und angebauter Kultur auf 160 bis 190 Prozent im Vergleich zur ausschließlichen Nutzung für den Ackerbau beziehungsweise zur Stromerzeugung.

Als besonders effizient erwies sich das Konzept im extrem trockenen und heißen Jahr 2018. Der Grund: Durch die hohe Einstrahlungsintensität wurde ein sehr hoher Stromertrag erzielt. Gleichzeitig profitierten die angebauten Kulturen von der Beschattung durch die Solarmodule, da sich Boden und Pflanzen weniger stark aufheizten als auf den nicht beschatteten Referenzflächen.

In heißen Sommer profitieren die Kulturen
Am stärksten profitierte davon Sellerie mit einem Ertragszuwachs von zwölf Prozent. Bei Kartoffeln verzeichneten die Fachleute ein Plus von 11 Prozent, bei Weizen von drei Prozent. Lediglich bei Kleegras wurde ein Minderertrag von acht Prozent festgestellt. Offenbar überwiegt bei dieser Kultur der Nachteil durch die um 30 Prozent verringerte Sonneneinstrahlung im Schatten der Module.

In feuchteren Jahren mit weniger Einstrahlung, wie etwa 2017, gingen die Erträge unter der Anlage dagegen deutlich zurück, bei Weizen und Kartoffeln fast um ein Fünftel. Doch laut Axel Weselek, der die Versuche als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit betreut hat, hängt die Entwicklung einer Kultur unter den Solarmodulen von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Deshalb sind zurzeit noch keine eindeutigen Aussagen möglich, welche Kultur am besten mit der Beschattung zurechtkommt.

Wirtschaftlichkeit hängt an der Stromerzeugung
Hinzu kommt aus seiner Sicht noch ein weiter Punkt: "Letztlich ist die Stromerzeugung für die Wirtschaftlichkeit der Anlage viel entscheidender als die Erträge aus der landwirtschaftlichen Erzeugung", sagt Weselek. Die Hofgemeinschaft Heggelbach nutzte zum Beispiel etwa 70 Prozent der Energie selbst, vor allem zum Laden elektrischer Fahrzeuge und für die Melk- und Kühlanlagen.

Unter den günstigen Bedingungen im Jahr 2018 erzielte die 1,94 Kilowatt-Anlage 249.857 Kilowattstunden (kWh). Das entspricht einem sehr hohen spezifischen Ertrag von über 1.280 kWh pro installierter Kilowatteinheit. Damit ist die Agrophotovoltaik-Anlage in Bezug auf die Stromgestehungskosten schon heute wettbewerbsfähig mit kleineren Solar-Dachanlagen, aber teurer als reine Freiflächenanlagen.

Ideal für aride Gebiete
Die Vorzüge des Systems kommen umso mehr zum Tragen, je heißer und trockener das Klima einer Region ist. Versuche des Fraunhofer-Instituts in Indien ergaben zum Beispiel, dass die Erträge von Tomaten und Baumwolle im Schatten der Solarmodule um rund 40 Prozent stiegen. Hier gehen die beteiligten Fachleute davon aus, dass sich die Landnutzungseffizienz nahezu verdoppelt.

Pfeiler verbrauchen Ackerfläche
Bei der praktischen Anwendung der Agrophotovoltaik gibt es allerdings noch einige Herausforderungen. So gehen etwa durch die benötigten Pfeiler und die nicht zu bearbeitenden Zwischenräume bis zu acht Prozent der Ackerfläche verloren. Zudem sind die Stahlträger Hindernisse beim Einsatz von Maschinen, was die Bearbeitung und Ernte der Flächen aufwändiger macht, insbesondere beim Pflügen und Hacken. Deshalb sollte der Abstand der Pfeiler an den Arbeitsbreiten der verfügbaren Maschinen eines Betriebs angepasst sein.

Gesellschaftliche Akzeptanz muss gegeben sein
Eine weitere Herausforderung besteht darin, inwieweit die Gesellschaft großflächig angelegte Solardächer auf landwirtschaftlichen Nutzflächen akzeptiert. Vor allem in touristisch geprägten Regionen könnten solche Anlagen aus ästhetischen Gründen auf Widerstand stoßen.

Senkrechter PV-Modul Aufbau

Bei dieser Form der Agrophotovoltaik werden die bifazialen Solarmodule, die das Licht von beiden Seiten verwerten können, senkrecht in Reihe montiert: Eine Modulseite zeigt dabei nach Westen, die andere nach Osten. Dadurch erfolgt die Stromproduktion vor allem am Vormittag beziehungsweise am Abend. Dieses Anlagenkonzept speist den Strom dann ein, wenn andere PV-Anlagen nur eine geringe Produktion aufweisen.

Die Fläche solcher Solarparks kann zum Großteil weiterhin als Mähweide, zur Beweidung oder für den Ackerbau genutzt werden. Die Reihen der Module liegen je nach Nutzung etwa acht bis zehn Meter auseinander, sodass eine gute Bewirtschaftung möglich ist, die Module sich aber auch nicht gegenseitig beschatten. Die Bereiche unterhalb der Modulreihen bieten viele Gestaltungsmöglichkeiten. Hier können zum Beispiel Blühstreifen angelegt werden. Eine wissenschaftliche Untersuchung zu diesem Typ der Agrophotovoltaik steht noch aus. Ob ähnliche Ertrags-Effekte wie bei den über der Fläche montierten Module auftreten, ist daher noch nicht belegt.

Eine weitere Möglichkeit dieser senkrechten Photovoltaik-Module ist die Nutzung als Solarzaun. Hierzu kann ein Schutz gegen Kabelbiss, Stromzaun-Befestigungen oder ein Gitter unterhalb angebracht werden. Solche Zäune wurden in der Praxis schon für Viehweiden und Hühnerausläufe erprobt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Tiere von den zusätzlichen Schattenflächen profitieren können.

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